Freitag, 10. Juni 2011

... Tyche

Tyche....


Es war einst eine Frau.
Bildhübsch und vollkommen.
Mit langen goldblonden Locken.
Und einem Gesicht so zart, als würde es aus Porzellan bestehen.
Weit ab von den Menschen wohnte sie.
Hoch oben in den Bergen.
Weit über den Wolken.
Da hatte sie ihren Tempel.
Dort wo keine Menschenseele sie finden würde.
Wo nur die Götter selbst den Fuß auf ihre Marmorhallen setzen konnten.


Dort hoch oben gab es ein Zimmer.
Erfüllt mit den verschiedensten Bildern.
Gezeichnet auf langen Rollen Papier.
Aus der gütigen wie auch unerbitterlichen Hand der Göttin Tyche.
Dort saß sie nun an einem der langen Tische.
Gefertigt aus dem Holz der Bäume, die zu Fuße des Berges standen.
Vor ihr ausgebreitet eine teils bemalte Rolle.


Darauf zu sehen war ein junges Bauernmädchen.
Zu beginn ganz klein.
Aber je weiter man die Rolle ausbreitete, umso größer wurde sie.
Gezeichnet war das Schicksal.
Das Schicksal, dem niemand entgehen konnte.
Vor gegeben von der schönen Tochter des Zeus.
So suchte sie sich für jeden der kleinen Menschen einen Platz aus.
Für jeden gab es einen Weg.
Hin und wieder gabelte er sich.
Genau wie bei dem Mädchen auf der Rolle.


Erst vor kurzem hatte sie die Wahl.
Welcher Abzweigung sie nun folgen würde.
Doch leider war die Entscheidung nicht von dem Mädchen selbst getroffen.
Chaos war ausgebrochen.
Entfacht von den zahlreichen Göttern im Reich des Zeus.
So dass dem Mädchen letztendlich doch nur noch eine Wahl blieb.


Der Göttin Prinzipien war es, den Menschen zur rechten Zeit Möglichkeiten zu bieten.
Möglichkeiten der freien Entscheidung.
Der Weg teilte sich.
In zwei Wege, die so gleich und so unterschiedlich zugleich waren.
Das Glück und das Unglück lag so nah beieinander.
Und jeder Mensch konnte selbst wählen, welchen er nun gehen wollte.
Das Mädchen jedoch war ohne Vorwarnung in die falsche Richtung gedrängt.
Als die Göttin das sah, ergriff sie die Trauer.


Solch ein Schicksal sollte niemanden ereilen.
So nahmen die zarten Finger der Schönheit den Pinsel.
Flink gezeichnet war eine erneute Zweigung.
An keiner der Wege wartete das Unglück.
So konnte das Mädchen nach einer Weile wieder zurück auf die Straße des Glückes.
Fortan hatte es wieder die alt bewährte Ordnung.
Des Menschen freie Entscheidung war wieder möglich.
Das war das, was die Menschen von Geburt an besaßen.
Es war eins der wenigen Dinge, die niemand sonst für sie übernehmen konnte.
Ihr einziger Besitz.


Sich selbst das Schicksal auszusuchen.

Ein Beitrag zum Wettbewerb "Tyche - griechische Göttin des Schicksals".

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